Diesen Blog durchsuchen

Westhofen-Chronik


Familien Chronik der Familie Westhofen und der Gemeinde Rheinbreitbach von Gemeindevorsteher Heinrich Westhofen I. 

- Die Westhofen-Chronik im Orginal und Transkription -

Quelle: Heimatmuseum Rheinbreitbach


Vorderseite 
(Seiten vergrößern durch doppeltes Anklicken)

Innenansicht der vorderen Umschlagseite
Vorwort am 31.8.1907


Seite 1

Seite 2

Seite 3

Seite 4

Seite 5

Seite 6

Seite 7

Seite 8

Seite 9

Seite 10

Seite 11

Seite 12

Seite 13

Seite 14

Seite 15

Seite 16

Seite 17

Seite 18

Seite 19

Seite 20

Seite 21

Seite 22

Innenansicht der rückwertigen Umschlagseite


Totenzettel des Johann Joseph Westhofen, 1824 - 1906
Quelle: Heimatverein Rheinbreitbach




Transkription der Westhofen-Chronik

Anmerkungen:
Die Rechtschreibung wurde überwiegend der heutigen Regelung angepasst, die Interpunktion z. T. belassen.
Ergänzungen/Erläuterungen sind  (kursiv)  in Klammern gesetzt.
Die Seiten und Zeilen wurden nicht entsprechend dem Original in gleicher Länge übertragen, da der Text dann schwer leserlich geworden wäre.
Für die Transkription: Paul Kunert, im November 2013


Einbanddeckel:

Familien Chronik der Familie Westhofen und der Gemeinde Rheinbreitbach




Vorwort!
Schon als kleines Kind habe ich es fehlerhaft gefunden, dass nicht in jeder Familie eine Chronik geführt wird. Wie gerne hätte man doch etwas von seinen Vorfahren (unleserlich) gehört, so bleibt einem nur was man von seinen Eltern erzählt bekam, und das wurde wieder vergessen. Das Gute was in der Familie geschehen ist, wird ja zuerst nicht mehr angedacht. Ich will nun versuchen, so gut es geht das aus der Vergangenheit, was ich von meinen Eltern und Verwandten noch weiß von meiner Familie niederzuschreiben, und nebenbei die Merkwürdigkeiten von Rheinbreitbach zu bemerken, und hoffen, dass meine Nachkommen, wenigstens einer von den männlichen Nachkommen es nach meinem Tode fortsetzt.

Geschrieben
Samstag, Abend, den 31. August
1907
Heinrich Westhofen
Geboren, d. 7. August 1864
Winzer

Seite 1:
Samstag, Rheinbreitbach, d. 31. August 1907
Westhofen, geschrieben mit einem langen „f“. Diesen Familiennamen findet man in jeder R.(Rheinbreitbacher) Chronik und so alt als eine Chronik ist, demzufolge scheint es mit eine (der) ältesten Familien in Rheinbreitbach zu sein.

Sonntag, Rheinbreitbach, d. 1. September 1907
Dieses beweis(t) auch die Aussagen des Herrn Pfarrer Katterbach gelegentlich seines Besuchs bei meiner kranken Frau Selig) 1901. Kurz nach seiner Einsetzung als Pfarrer von Rheinbreitbach. Er sagte bevor er sich über einzelnen Familien von hier erkundigt hatte, mancher reiche Aristokrat würde stolz darauf sein, wenn er so einen Stammbaum nachweisen könnte. Beim bauen der Kirche von Rheinbreitbach finden wir Ihren Namen. 



(Der Bergmann H. Westhofen)



Im Anfang des 16. Jahrhunderts fingen die Familie Clouth den Grundstollen vom Virneberg an, da stehen die Westhofen in der Chronik von Clouth niedergeschrieben als Zimmerleute. Im 18. Jahrhundert waren es (sie) Bergleute und Schuhmachermeister, von einem Bergmann H. Westhofen wird erzählt, dass er in der größten Kälte und im Schnee barfuß um Rheinbreitbach herum den Rosenkranz gebetet hat, ohne dass ihm das an der Gesundheit geschadet hat. Ferner soll er beim einfahren auf dem Virneberg das Unglück gehabt haben

Seite 2:
In den Schacht zu fallen, so dass alle an seinen sicheren Tod glaubten. Wie die anderen Bergleute nun unten hinkommen um ihn zu bergen, da kniete er ganz unversehrt unten und war am beten. Er war Junggeselle und ist auch unverheiratet gestorben. Es wird ihm viel Frommes nachgesagt. Er soll auch allein begraben sein, an dem Kreuz von der Sakristei.



(Der Schuster und Bergmann Peter Jos. Westhofen und die Franzosen)



Zu Napoleons I. Zeiten war ein Peter Jos. Westhofen, Bergmann und Schuhmacher, es wird von ihm eine wahre Begebenheit erzählt. Er hatte in seinem Weinberg gearbeitet u. kam gerade an der Leonardus Kapelle, mit seinem Bündel alter Weinbergspfähle, als ein großer Zug Franzosen durch Rheinbreitbach kam, welche in Rolandseck übergesetzt hatten, als der Zugführer, (ein) Captain, die Leonardus Kapelle sah, ließ er halten u. zeigte seinen Soldaten mit den Worten „Oh Leonardo, Leonardo“ die Kapelle. Und es sammelte sich viel Volk an, auf einmal kam ein Soldat für (vor) meinen Urgroßvater zu stehen, u. ruft ihm zu „Hallo Bauer“, dabei
zeigte er auf die ganz neuen Schuh, die der Urgroßvater an hatte, und sagte „Bauer Schang schieren“ (???), die anderen wichen zurück, u. was sollte mein Urgroßvater machen. Er musste seine neuen Schuhe mit dem Franzmann seine alten zerrissenen umtauschen. Das hat nun nicht gerade so ruhig hergegangen. Dadurch wurde der das Kommando führende Offizier aufmerksam auf ihn u. hat sich mit ihm auf ein Gespräch eingelassen

Seite 3:
Wegen des Westerwalds, Neustadt, Altenkirchen usw., in der Zeit waren die Schuhe umgezogen, da packte er meinen Urgroßvater am Kragen u. sagte, jetzt sind Sie unser Führer, ich habe gehört, Sie wissen gut Bescheid, was sollte er machen. An der Spitze mit dem Offizier marschierten sie durch Rheinbreitbach dem Wald zu. Er hatte keine Zeit mehr, seine Familie zu benachrichtigen. Vor dem Dorf wurde noch mal Halt gemacht, und nun bekam der Führer von einem Soldaten einen schweren Tornister aufgehängt. Da ging es im Schritt weiter, u. jeder wird wohl seine eigenen Gedanken gehabt haben. Die Franzmänner werden froh gewesen sein, so leicht einen Lastenträger bekommen zu haben. Er dagegen konnte mit seinen schlechten Schuhen nicht voran, u. die Last auf der Schulter knickte (drückte) (?) ihn so, dass er über einen Fluchtversuch nachdachte, u. als alter kundiger Bergmann hatte er auch seinen Kriegsplan bald fertig vor sich (?). Sie kamen in die Nähe vom Virneberg, genannt am Reckeck (Pochwerk ?). Das ist wo man am Virneberg um die Ecke biegt, und man oben das kurz-Loch sehen kann; da meldete sich der Führer, er müsste austreten. Es gingen immer 2 Soldaten neben ihm, etliche Meter unter dem Weg ging ein Grundstollen auf den Hauptschacht hinein, dieser führte dann weiter am Schacht vorbei und am kurzen Loch wieder heraus. Zuerst legte er seinen schweren Affen ab, die Soldaten machten halt; so dann ging er gerade auf den Stollen los, in dem er an seiner Hose

Seite 4:
arbeitete, die beiden Soldaten hielten ihn im Auge, aber auf einmal machte er einen Satz u. weg war er im Stollen. Die Soldaten warteten auf seine Rückkehr, aber es wird ihnen doch zu lange gedauert haben, denn wie mein Urgroßvater in dem dunklen Berge schon bald den halben Weg (geschafft hatte), hörte er Schießen. Es muss sich schön angehört, zumal da er sicher war, dass ihn keiner treffen konnte. Jedoch hat er seine Flucht so gut es ging beschleunigt, bis er am kurzen Loch zu Tag wieder heraus war; vorsichtig hat er sich zuerst nach den Franzmännern umgesehen, und musste lachen, als er sah, dass sie unten am Grundstollen so fleißig wie die Ameisen am zumauern waren u. zwar so, wie er sich später überzeugte, dass er da nicht mehr hinaus gekonnt hätte. Nun ist er am alten Dahm (?) vorbei (da lag ein Privat-Gebäude mit Namen Dahm, es ist jetzt schon alles verschwunden, nur noch Mauerreste u. alte Zwetschgenbäume sind noch da). Da hat er sich in dem Berg solange versteckt bis die Franzmänner unten ganz nah an ihm vorbei marschiert waren, dem Westerwald zu. Dann ist er wohl nach Hause gegangen. Es bleibt zu erwähnen, dass es sehr lebensgefährlich war ohne Licht durch die Erde den langen Weg zu machen, und nur als kundiger Bergmann konnte er es wagen. Zuerst hat er sich nicht in Breitbach sehen lassen. Er dachte immer, die Franzosen kämen wieder zurück, nachher hat er es seinen Nachbarn

Seite 5:
erzählt, welche dann meinten, er hätte den Tornister mit all dem Gelde mitbringen sollen. Er aber sagte, sein Leben wäre ihm lieber. 




(Der Schuster Menden und die Franzosen)



Denke gerade an Geld u. da fällt mir gerade die Geschichte ein, die sich hier in Rheinbreitbach abgespielt hat während der großen französischen Revolution. Dieser arme Schuster Aloys Menden, mit dem Vornamen bin ich nicht ganz sicher, er kann auch Wilhelm geheißen haben, hatte nicht soviel um anständig zu leben. Er hatte 4 Jungens, die konnte noch nichts verdienen, aber wollten alle Tage essen. Eines Tages war der Schuster auf seinem Felde, nicht weit von der damaligen Fähre, da sieht er den Fährmann übersetzen; es war ein feiner Herr mit mehreren großen Koffern. Der Fährmann ruft den Menden hin, und nun wird der Herr u. Menden sich einig, dass Menden dem Herrn die Koffer nach Rheinbreitbach auf seiner Schiebkarre fährt (hier ist zu bemerken, dass Rheinbreitbach größer, mehr Einwohner u. auch bekannter war als Honnef. Es war damals noch keine Eisenbahn, dafür hatte Breitbach die schönsten Landestellen für Schiffe, welches der Hauptverkehr war (für) Kohlen, Kalk u. der nächste Weg vom Westerwald ging über Rheinbreitbach. Unterwegs hat der Herr sich bei Menden erkundigt, wo er in Breitbach ein Zimmer für längere Zeit haben könnte, am liebsten privat, wo er ungestört wäre. Er gab dem Schuster zu verstehen, dass er ein Immigrant, ein Flüchtling wäre. Menden hat ihm eins von seinen Zimmern angeboten, welches auch der Herr angenommen hat. Er war einer von den armen Geistlichen, welche so leiden mussten während der Revolution. Dem Menden sein Haus war das kleine Häuschen neben dem Eckhaus, wenn man nach der Koppel gehen will, die Vonsbach hinauf.

Seite 6:
Es ist wenig Garten am Haus, und jeden Morgen sah man nun den Herrn im Garten seine Gebete verrichten. Die blutgierigen Häscher von Frankreich kamen auch über den Rhein, und zahlten schöne Trinkgelder für Verrat. Und so kam es, dass eines Morgens zwei Reiter vor dem Menden sein Haus standen und verlangten den Fremden heraus. Es war Verrat, fort konnte er nicht mehr, und so haben sie ihn mit einem Seil an den Pferdeschwanz gebunden und fort ging es mit ihnen im Trab nach Rolandseck zu, in seinen sicheren Tod. Die Familie Menden wurde von der Zeit an wohlhabend, und später haben 3 von den Söhnen sich ein großes Haus gebaut. Unten an der Ecke, es war immer die Wirtschaft zur Post. Dann gegenüber das große Kaufhaus, und an der Kirche, es sind jetzt 2 Häuser, und die Gemeinde hat auch noch einen Platz angekauft davon, wo die Scheune gestanden hat. Damals in den 70-iger Jahren 1874 oder 75, sollte nach der Seite die Kirche vergrößert werden. Es wurde im Dorf davon allerhand gesprochen, und der alte Pfarrer, genannt das kleine Pastürchen hat seinerzeit in der Linzer Zeitung über die Geschichte viel geschrieben. Bis jetzt sind 2 von den Häusern in anderem Besitz, ist nicht zum 3. Erben gekommen. Das Haus zur Post haben noch Nachkommen in Besitz; nachzuholen ist noch, dass einer von den 4 Brüdern als Idiot gestorben ist.
________________________

1820, den 28. August
wurde mein Vater Heinrich Westhofen geboren in Rheinbreitbach, meine Mutter Maria Magdalene Weber wurde geboren im Februar 1827 in Orsberg bei Erpel, beide die Ehe eingegangen 1849. Die Mutter starb d. 26.10.1877; der Vater † d. 26.6.1889. Sie haben wieder 6 Kinder verheiratet, davon 3 männliche.

Seite 7:
Der älteste Peter Westhofen in Westfalen mit 7 Kindern, davon 5 männliche; der zweite H. Jos. Westhofen in Rheinbreitbach, 2 Kinder, davon 1 männlich; der dritte Heinrich Westhofen in Rheinbreitbach, 6 Kinder, davon 4 männliche.
Außerdem ist die Familie Westhofen, schon das ich weiß, mit männlichen Nachkommen aus Rheinbreitbach vertreten in Amerika, Belgien, am Vorgebirge bei Bonn, in oder bei Saarbrücken. Außerdem existieren noch Westhoven hier in Rheinbreitbach, schreiben sich aber mit „v “  und nicht mit „f „. Weiß auch keiner sich von ihnen zu erinnern, dass sie mit unserer Familie verwandt sind.



(Rheinbreitbach vor 1000 Jahren)



Vor 1000 Jahren war Rheinbreitbach in zwei Teile geteilt, in der Mitte hindurch floss der breite Bach ohne eingezäunt, eine Kirche hatten sie nicht, dafür 2 Kapellen. Die Leonardus Kap. und eine Kapelle an der Waldportz, in dem Garten auf dem großen Herrengut. Vor der alten Stammburg stand das Magdalena h. (heilige) Häuschen, welches dann später zur Kirche umgebaut ist geworden.

Rheinbreitbach gehörte nach Unkel in das Pfarr (amt) u. wurden auch dahin begraben. Die Wege waren schlecht, Kutschen (?) hatten sie nicht, u. in der Ebach war noch alles Wald, bis weit in das 19. Jahrhundert hinein. Da soll es schon vorgekommen sein, dass sie ihre Toten länger liegen haben müssen lassen, bis ein Weg hindurch gemacht war, weil Wasser u. Eis sie hinderten. 



(Das Österreicher Denkmal)



In den Freiheitskriegen (des) 17. Jahrhunderts in den 90-iger Jahren haben kaiserliche Soldaten in Breitbach gelegen. Es sind viele an Typhus gestorben u. liegen in einem Massengrab auf dem Damm begraben über der alten Burg ungefähr 100 Meter auf der Burg zu vor Koppels Brunnen neben dem Bach, bis 1885 oder 86 hat noch das erste hölzerne Kreuz

Seite 8:
drauf gestanden. In dem Baumgarten vor der Burg wo das Denkmal steht, soll ein Offizier begraben liegen (hier ist nachträglich eingefügt: Als Gemeindevorsteher habe ich ein Trachitstein auf das Österreicher Grab setzen lassen. Österreich hat 300 Mark dazu gegeben. Gemeindevorsteher a.D. Westhofen H.)

1870
Während dem Feldzug  u. nachher war in Rheinbreitbach die ansteckende Krankheit, die schwarzen Pocken, ausgebrochen. Die Häuser waren bezeichnet, worin ein Kranker lag. Die Toten wurden in der Nacht begraben, u. mit Kalk der Sarg zugeworfen. Es sind viele daran gestorben.

1874
1874 wurde mein Vater Heinr. Westhofen, welcher auf dem Menzenberg auf einer Kupfererzgrube Maschinist war, an der Maschine vom Blitz getroffen. Er hat ein ganzes Jahr auf dem Bett gelegen, ist aber wieder soweit hergestellt worden, dass er später im Garten u. auf dem Felde arbeiten konnte, u. wieder ohne Stock gehen konnte. Er starb am 26.06.1889.



(Der Bauernfänger von der gräflichen Ölmühle oder der Fall Kronenberg)


Am Mühlstein, hier Holzlarer Mühle, Juni 2017
Foto: Dankward Heinrich



1875 oder 1876
wurde hier in Rheinbreitbach eine weit verzweigte Bauernfänger- oder Falschmünzerbande aufgedeckt. Einer namens Kronenberg kam aus der Eifel bei Euskirchen weg, mit seiner Familie u. übernahm hier die Ölmühle vor der alten Burg. Er konnte sich nach den damaligen Verhältnissen gut helfen u. lebte unauffällig. Später in den 70iger Jahren wurden wir Kinder aufmerksam, da seine Söhne, die haben ungefähr mein Alter, viel mehr Geld hatten als wir anderen Kinder. Kronenberg reiste viel, was den Leuten auffiel. Auch seine Kleider waren auffällig. Die damals als die besten Situierten, u. Wohlhabendsten im Dorf waren seine Freunde, und es war ein kameradschaftlicher Bund zwischen den Handwerkern u. Geschäftsleuten. Dass da etwas

Seite 9:
besonderes vorlag, hatten uneingeweihte längst gemerkt. Da auf einmal Sonntagmorgen kamen 2 Gendarmen u. das Gericht u. es wurde bei Kronenberg Hausdurchsuchung abgehalten. Tatsache ist aber, dass einer namens Johann Düren, genannt der Graf Schang, schon vorher das Eigentum von Kronenberg sich all auf seinen Namen hat schreiben lassen.

(Hier ist zu erwähnen, dass der J. Düren Graf genannt wurde, weil er ein netter junger flotter Junggeselle war, und sich schon als Graf in Alfter bei Bonn hatte sehen lassen, mit Dienerschaft, es ging um ein reiches Mädchen zu kapern. Er ist aber als Junggeselle Anfang 1900 gestorben. Daher hatte er auch den Namen Graf von Alfter).
Und auch waren die Kronenberg des morgens früh am Tage der Hausuntersuchung schon gewarnt worden, denn ganz sicher ist, dass sie des morgens früh eine Schürze voll Geld, oben bei der alten Frau Wirtz, welche zur Miete da wohnte, gebracht hatten, und in den untersten Strohsack in das Bett geschüttet hatte. Was u. wie viel konnte die Frau nicht sagen, denn die Frau Wirtz konnte nicht lesen u. schreiben u. kannte kein Geld, sie war aus dem Westerwald gebürtig u. damals gab es daher noch viele auf dem Lande, ich habe selbst hier in Breitbach mehrere gekannt, welche ihren Namen mit einem x machten. Des Abends hat Frau Kronenberg das Geld wieder geholt. Nach der Hausdurchsuchung wurde die Kronenberg mitgenommen u. es hat eine großartige Gerichtsverhandlung stattgefunden. Da ist vieles an das Tageslicht gekommen, aber auch viele dachten unser Geld ist doch fort, u. wieder bekommst du es nicht, nun bist du lieber still, (dann) wirst du auch nicht ausgelacht. Hauptsächlich war ihnen vorgeschwindelt worden, für 100 Mark bekämen sie 300 Mark usw. Natürlich war da zu verstehen gegeben worden, dass das Dreifache falsches Geld war. Daher

Seite 10:
war auch so lange Jahre keine Anzeige, weil die Geldbringer sich selbst strafbar gemacht hatten. Ob falsches Geld in Umlauf gebracht ist worden, ist bei der Verhandlung wohlweislich nicht herausgekommen. Die meisten wurden nach Köln, Düsseldorf, Bonn, Euskirchen hinbestellt, wenn sie einen Haufen Geld zusammen hatten. Da kamen sie nun in ein dazu bestimmtes Haus, wurden sehr freundlich empfangen u. in das bessere Zimmer geführt, u. ihnen aufgetischt, auch nette Damen, wenn es angebracht war, spielten eine Rolle mit. Es wurde dann geheimnisvoll gesprochen, wie viel Geld sie mitgebracht hätten, dann wurde es gezählt, und einer nahm das Geld nun ins Nebenzimmer, das dreifache zu holen, um dann von da aus zu verschwinden. Der andere wartet auf die Rückkehr, u. musste dann endlich nach Hause gehen, u. froh sein, dass ihm anders nichts passierte, denn der Eigentümer vom Haus hatte die Zimmer auf einige Stunden vermietet. Wenn es angebracht war, und die Geldeinnehmer kannten schon ihre Kunden ehe die da waren, machten die Damen das Geschäft u. es blieb ihnen auch nichts anderes übrig als den Mund zu halten, auch soll der Wein schon durch eine geheime Kraft die Arbeit verrichtet haben. Und so sind viele um ihr schönes Geld gekommen. Da war einer, der hatte sein ganzes Hab und Gut flüssig gemacht u. hatte auch noch von seinem Bruder seine Ersparnisse genommen. Er wollte sofort reich werden u. war mit einem Schlag arm, sein Bruder war der Verzweiflung nahe, aber es half nichts, es war fort. Und so könnte man noch mehr schreiben, auch die Namen, aber das hat ja keinen Wert. Die Hauptübeltäter waren verschwunden, und Kronenberg erhielt

Seite 11:
etliche Jahre Gefängnis. Von den Geldbringern ist keiner bestraft worden, es war kein Strafantrag gestellt, u. die waren ja auch bestraft genug. Die Anzeige war von 2 Brüdern aus Honnef gemacht worden, welche auch ihr gutes Geld fort gebracht haben. Es waren Müllermeister u. reparierten dem Kronenberg die Mühle, wie das nun war? Sie haben es zur Anzeige gebracht ohne dass ihnen einer was machen konnte.
Die Familie Kronenberg ist hier gestorben, u. fortgezogen (ist) ein Sohn nach dem Siegtal u. einer nach Düsseldorf. Der Kronenberg selbst ist als armer Mann gestorben. Er war immer leidend u. (hatte) demzufolge sein Leben satt. Und so hat er dann noch am Ende Hand an sich selber gelegt. Es heißt, sein Verstand war umnachtet.




(Der gesegnete Ort Rheinbreitbach oder Die stigmatisierte Jungfrau im Siebengebirge)


Das Mühlrad, hier Holzlarer Mühle, Juni 2017
Foto: Dankward Heinrich

1877 – 1878
In dieser Zeit spielte sich auch der bekannte religiöse Schwindel in der oberen Mühle ab. Dem Müllermeister Peter Weiler starb 1877 im Mai seine Frau (geb. in Linz a. Rh.) und hinterließ ihm 2 Mädchen, mit Namen Maria und Lena Weiler. Sie waren ungefähr 10 u. 8 Jahre alt. Er nahm sich aus seiner Heimat (aus der Eifel in der Gegend von Daun) die Tochter von seinem Bruder als Haushälterin in das Haus. Sie war ungefähr 24 Jahre alt, mit Namen Anna Maria Weiler. Sie galt als ein sehr frommes Mädchen, u. wusste durch ihr Verhalten in der Kirche diesen Ruf noch zu vermehren. Sie ging meistens in das Hochamt u. nach der h. Messe verweilte sie noch im Gebete vorm Muttergottes – Altar, dann kniete sie öfter mit ausgebreiteten Armen, als wenn sie die h. fünf Wunden

Seite 12:
betete vor dem Altar, indem die anderen Gläubigen nach Hause gingen, u. wir Messdiener die Kerzen ausmachten. Dann hieß es, sieh einmal was der Meister Weiler für ein frommes Mädchen in seinem Haus hat. Damals war ich 13 Jahre alt u. ging das letzte Jahr in die Schule.
Mein Bruder Jos. war 15 Jahre u. arbeitete auf dem Virneberg. Sein Kamerad Jos. Müller wohnte fast neben der Mühle.
In der Woche vor Weihnachten 1877 kam mein Bruder Jos. von seinem Kamerad Müller des Abends nach Hause mit der Neuigkeit (wir waren gerade am Essen u. er hatte sich neben mich gesetzt):
Denke mal, sagte er, das Anna Mariechen in der Mühle hat die Muttergottes gesehen, u. hat ihr gesagt, sie würde öfter wiederkommen. Wir wunderten uns alle; mein Vater (aber) sagte: Dummheit, so was glaube ich nicht. Dabei machte mein Vater (zu) seinem Bruder Christoph Westhofen (welcher als Junggeselle immer bei uns war, u. später im Jahr 1903 bei mir gestorben ist – 75 J. alt) eine Bemerkung, die wir Kinder nicht verstanden. Mein Bruder aber ließ sich nicht einschüchtern: Doch! Doch! Sagte er, die Mutter-Gottes hat ihr auch offenbart, sie bekäme in der nächsten Fastenzeit die h. fünf Wunden! Über das Wunder waren wir natürlich alle erstaunt, aber nicht mein Vater.
Der sagte nun ganz still, das ist nicht die Wahrheit, so eine Person hält unser Gott dafür nicht würdig, das wüsste er.

Was er damit meinte, konnten wir Kinder damals nicht denken (verstehen). Später hörten wir, dass unser Vater, wie er Korn

Seite 13:
nach der Mühle gebracht hat, darüber (dazu) gekommen ist und gesehen hat, was nicht zum Anstand gehört, u. deshalb war er, sein Bruder Christoph und Leonhard Krähmer (ein Junggeselle ist auch als Junggeselle gestorben) von Anfang an öffentlich Gegner davon. Mein Vater sagte zu uns, bedenkt doch, der h. Franz von Sales hatte die h. fünf Wunden, u. hat sich nicht würdig dafür befunden. Er hat es der Welt 7 Jahre verborgen bis es ohne sein Zutun in die Öffentlichkeit gekommen ist, und hier sprechen sie schon ein halbes Jahr vorher davon, wir wollen abwarten, und von der Zeit an war er und auch der Leonhard Krähmer öffentlich dagegen. Damals waren noch wenige Leute, welche sich eine Zeitung hielten, und so haben mein Vater, sein Bruder u. L. Krähmer ein Sonntagsblatt gehalten, das Eucharistische (?) Blatt aus Trier. Wenn sie nun sonntags dann am Lesen waren, habe ich oft Gelegenheit gehabt, wie sie sich über die Wundermühle lustig machten.

Zumal auch in der nämlichen Zeit der Schwindel von Marpingen an der Mosel passiert war. Da sollten Kinder die h. Muttergottes im Wald gesehen haben u. eine Quelle wäre dort entsprungen, welche Wunderkraft enthielt. Habe selbst gesehen, dass Hausierer das Wasser verkauften, ein schmales langes Fläschchen voll für 1 Mark. Marpingen haben sie mit Soldaten belegt, u. von der Zeit an hörte

Seite 14:
alles auf; es waren sogar Schriften darüber ausgegeben.

In der Zeit von Weinachten bis zur Fastenzeit 1878 hörte man öfter von der hoch begnadeten Maria Weiler sprechen, u. sie wurde als tugendhaft gepriesen. Nun kam der erst Freitag in der Fastenzeit, das unglaubliche war passiert, die hl. Muttergottes mit dem Jesukinde war ihr erschienen, u. sie hatte die fünf Wunden. Viele gingen hin zur Mühle um sie zu sehen, u. einer erzählte es dem anderen von ihren Leiden. Sie mussten an der Mühle die Türen schließen, u. ließen das Volk, in Abteilungen von sechs unten an der Tür nach dem Wald zu herein und oben nach der Straße zu, wo das Wasser auf das Mühenrad läuft heraus. Meine Mutter war im Jahre 1877 im November gestorben, meine Schwester Ursula führte bei uns die Haushaltung. Ich hörte nun, wie die Nachbarn kamen u. sie aufforderten, sie sollte auch sehen gehen. Als sie zurück kamen hat sie erzählt: Zu sechsen wurden wir hereingelassen, zwei Mädchen und vier Jungen, sie waren ca. 20 Jahre alt. Zwei Männer haben sie unten eingelassen, dann ging es durch den Hausflur nach der Mühle die Treppe hinauf, oben in der Kammer rechts nach der Straße zu lag das Mädchen im Bett. Beim Eintreten nahmen sie an der Tür aus einem hierfür aufgestellten Behälter Weihwasser u. besprengten sich, dann knieten sie nieder u. beteten. Sie hatte gerade nach Aussage von ihrem Oheim Peter Weiler die Leidensstunde. Der Oheim hatte

Seite 15:
sie in den Armen liegen, und stand neben dem Bett, und tröstete sie mit den Worten: Oh Maria für alles Gott zur Ehre, Oh Maria alles zur Ehre Gottes, Oh Maria denke an die Muttergottes alles Gott zu Ehren, usw.

Sie aber krümmte sich im Bett, u. stöhnte schmerzlich, dabei griff sie sich nach Händen und Füßen. Wie sie nun etwas ruhiger wurde zeigte uns der Weiler die Wunden auf den Händen u. an den Füßen. Die Wunden waren aber nur auf den Händen u. auf den Füßen an der inwendigen Seite, u. unter den Füßen war nichts zu sehen. Dabei bemerkte meine Schwester noch, dass die Füße so schmutzig gewesen wären, alter Dreck, u. einer meinte, sie hätte die Füße seitdem sie auf der Welt wäre nur einmal gewaschen bekommen. Der Oheim hat ihnen gesagt, wenn keine Männer bei ihnen wären, würde er ihnen auch die Seitenwunde zeigen. Nun mussten sie wieder gehen, weil um die ganze Mühle noch Menschen warteten, welche auch noch sehen wollten. Oben an dem Ausgang standen zwei andere Männer, welche sie hinaus ließen. Hier ist zu bemerken, dass sich in Rheinbreitbach über die Männer gewundert wurde, welche dort in der Mühle Hilfe leisteten. Einer namens Perzhorn, wohnhaft in Scheuren b. Unkel, hatte schon eine entehrende Strafe gebüßt, einer mit Namen Ehrenberg, geboren vom Westerwald, früherer Mühlenknecht, dann der Karl Lanzberg,

Seite 16:
Welcher mit seinen Eltern Prozesse (hatte) u. schon flüchtig war usw., wieder einer namens Mohr – Pater Mohr genannt, weil er schon auf evangelischer Pastor studiert hatte u. noch zwei andere.
Aber sie standen alle, wie ich als Kind und auch später hörte, in keinem so frommen Ruf. Das Volk glaubte meistens an den Schwindel, am meisten bekämpft hat Leo Krähmer und mein Vater selig Heinrich Westhofen, sie wurden bedroht (haben gedroht), sie würden sie steinigen. Der zweite Freitag in der Fastenzeit kamen die Menschen schon nach der Mühle (um zu) beten, sogar von der linken Rheinseite. Den 3. und letzten Freitag kam von der Zeitung in Linz a. Rh. ein Redakteur und hat Zeichnungen von der Mühle gemacht, u. ein Artikel mit der Überschrift: Der gesegnete Ort Rheinbreitbach oder die stigmatisierte Hausfrau am Siebengebirge.
In der Nähe der Mühle ist ein Brunnen (der Koppelsbrunnen). Da gingen viele hin und haben sich in Flaschen das heilbringende Wasser abgefüllt. Das Dorf war voll von Fremden, so dass die meisten Geschäfte ausverkauft hatten. Gegen 2 Uhr wurde bekannt, dass das Gericht von Neuwied käme. Gegen 3 Uhr kamen die Herren und haben die hl. Maria Weiler und ihren Onkel Peter Weiler in einen Einspänner geladen. Vorn gingen u. auch hinten 2 Gendarmen mit aufgepflanzten Gewehr. Am letzten Haus in der Korfgasse stand ich u. sah (mich) nach dem Volk um; da sehe ich, dass ein Breitbacher einen Pflasterstein aufhebt und warf an mir und dem roten Wachtmeister, welcher links vor mir ging, vorbei. Der Wachtmeister machte kehrt und sagte: Ihr lieben Leutchen, nehmt doch Vernunft an, wenn das bei dem Mädchen auf Wahrheit beruht, so bekommt ihr es bald wieder. Hätte ja das Recht, auf euch zu schießen, würde aber dann doch den richtigen nicht treffen, also verhaltet euch ruhig. Es ist auch nichts weiter passiert, nur dass an der Kapelle die alte Scheße (der Wagen) umgeschlagen soll sein? , u. das Volk hat gerufen: Das ist ein Zeichen von Gott?! Der nach dem Wachtmeister geworfen hat, war Albert Lindener. Nun ist sie mit ihrem Onkel nach Neuwied eingeliefert worden, u. den anderen Tag hörte man schon, dass alles Schwindel war. Sie sollte ja auch (angeblich) während der Fastenzeit nichts essen, nur die hl. Kommunion empfangen. Sie hatte aber die erste Nacht was von sich gegeben, das zeugte von einem guten Appetit. 

Zu Ehren unserer Geistlichkeit sei erwähnt, dass der Herr Pastor Gilisen und auch der Vikar Schmitt sich ganz heraus gehalten haben. In der Zeit war

Seite 17:
ich Messdiener, kann mich aber nicht erinnern, dass die hl. Kommunion in die Mühle getragen worden ist. Der Prozess ist in Koblenz gemacht worden. Ihr Anwalt wollte sie ganz frei haben. Er sagte, ich kann mich schneiden und kasteien, darüber gibt es kein Gesetz. Sie hat aber 2 Jahre und der Oheim ½ Jahr bekommen wegen religiösen Unfug und Volksauflauf. Peter Weiler ist hier ganz arm gestorben, seine beiden Mädchen waren hier verheiratet, Frau Mühlenbein und Frau Lindener. Die stigmatisierte Jungfrau soll später in ein Kloster gegangen sein.

Nach meiner Schulentlassung habe ich 2 Jahre in der Landwirtschaft zu Hause gearbeitet. Dann habe ich bei Paul Profitlich in Unkel in der Pelzfabrik gearbeitet. Bis zum Jahre 1881, (dann) war keine Arbeit mehr da. Nun haben wir 3 Breitbacher zu Fuß Arbeit gesucht. Jos. Küppen, Anstreicher (?) ist in Köln krank geworden und 1887 in Breitbach gestorben. Nikola Prinz ist in Düsseldorf auf ein Schiff gegangen, später hat er in Westfalen gearbeitet u. ist verschollen. Bis Gelsenkirchen bin ich gereist u. habe bald ein Jahr in der Bierbrauerei gearbeitet – auf der Hochstraße (?) bei Heinrich Holthaus. Dann war mir das Geld zu wenig u. da habe ich in Bulmke (?) auf der Hochöfen …. (?) (Hüllenhof) in der Schlosserei als Hilfsarbeiter gearbeitet.
Auch habe ich, wenn in Unkel im Winter nichts zu tun war, etliche Monate auf Konzelation ? als Schlüber ? in der Erde gearbeitet. Als es in Unkel bei Herrn Profitlich wieder Arbeit gab, habe ich wieder dort angefangen. 



(Heinrich Westhofen bei den Dragonern)



1886 wurde ich zur  Kavallerie ausgehoben, u.  kam mit noch 2 Breitbachern zur 14. Dragonern. Die anderen waren mein Vetter Franz Konzen, Schneidermeister, u. Josef Menden. Das Soldatenleben war für uns 3 eine schöne Zeit. Vor Weihnachten nahm der Wachtmeister Gutschmit mich als Putzer (Pferdepfleger), von da an hatte ich es besser. Im Frühjahr beim Regimentsexerzieren kam der Rittmeister Rau zu mir, und wünschte, dass ich bei Oberst Freiherr Max v. Maltzahn Bursche soll werden. Das war so eine Sache. In der kurzen Zeit, da er das Reg. führte, hatte er schon 2 Gefreite fortgejagt. Nun soll ich als Rekrut es versuchen. Es war nicht leicht, wenn er zu Hause war, konnten wir 2 Burschen und ein Zivildiener die Arbeit nicht machen (Er war nicht verheiratet). Im zweiten Jahr hat er mal 15 Mann auf Festung gebracht. Das letzte Quartier von der Reserve (?) der 4. Schwadron war in Altbreisach. Die (den) Reservisten ? hatte (war) den Abend der Zapfen gestrichen worden, gemeldet von einem Unteroffizier, der mit ihnen gesoffen hatte, und der Oberst sagte, es ist ein Komplott u. so gab es Festung. Aber damit hatte er sein Schicksal auch beschieden. Unser Herr Rittmeister Rau, früherer Adjutant von Erbgroßherzog Baden, wo unser Reg. zum Korps gehörte, wird das andere besorgt haben. Das Jahr darauf haben wir Manöver in der Gegend


Seite 18:
von Mühlhausen b. Belfort. Schon im Anfang rief der General v. dem Knesebeck ihm zu, Herr Oberstleutnant, ihr Stab ist größer als ihr ganzes Regiment. Wir hatten im Stab zum ersten Mal den Feld ……….(?) mitgenommen. Der General hat den Oberst Maltzahn während des Manövers mehrmals zurechtgewiesen. Nach dem Manöver, den ersten Morgen um 6 Uhr, kam der Zug von Freiburg/Breisgau und mit ihm General v. d. Knesebeck. Habe dem Oberst gemeldet und ihn in ein Zimmer geführt. Nach einer ¼ Stunde habe ich den Herrn General wieder aus der Pila (?) geführt. Den Nachmittag um 1 Uhr hat der Oberst den Regiments… (?) blasen lassen, u. hat dem Regiment seinen Abschied gemeldet. Die Burschen kamen wieder in die Schwadron. Und ich musste mich zum Gefreiten melden u. bekam als Stubenältester die Stube Nr. 2 mit 45 Mann. Nach meiner Dienstzeit hat der Herr Rittmeister Rau mir angeboten, ich sollte bei ihm in der Schwadron bleiben, lehnte dasselbe ab u. nahm eine Stelle als Kutscher, (bei einem) Freund vom Rittmeister, Freiherr v. Uhemmenstein (?) bei St. Blasien im Schwarzwald an. Das war die größte Dummheit, die ich im Leben gemacht habe. Jetzt konnte ich wieder mit Pferde putzen, wo ich als Soldat Unteroffizier Dienst gemacht hätte. 

Nach 1 1/2 Jahren bin ich nach Hause zurück u. bin wieder nach Unkel in die Pelzfabrik gegangen. Habe 1893 geheiratet, u. 1904 (gemeint ist offensichtlich 1894) nach einem Jahr haben wir unseren erstgeborenen Johann Georg Westhofen bekommen. Der Herr Baron aus dem Schwarzwald wollte mich u. Frau wieder darauf haben, haben uns auch die ganzen Kindersachen geschickt u. auch später haben sie immer an uns gedacht. Bis 1905 oder 1906 der Herr Baron starb, (da) hörte die Verbindung auf. Meine selige Frau und ich haben nun nacheinander 8 Kinder bekommen, u. bei dem letzten - 8 Tage nachher starb die Mutter, und nun stand ich mit 6 Kindern allein, 4 ½ Jahr war ich Witwer. Kinder krank: ich war krank und bekam 1,20 Mark Krankengeld. 6 Kinder, ich und eine fremde Person im Haus. Habe meine Trauben selbst gekeltert u. welche gekauft u. mit Wein gehandelt, und so habe ich mich gut und schlecht über Wasser gehalten, aber was ich alles in den Jahren

Seite 19:
habe mitmachen müssen? Könnte man ein dickes Buch schreiben. 1907 habe ich wieder geheiratet. Gott sei Dank, da wurde es besser. Das kleinste Kind war in der Zeit gestorben, da hatte ich noch 5. Die neue Mutter brachte den Otto mit, und nun war das ½ Dutzend wieder voll. Nun fing die Arbeit für die Mutter an, die selige Großmutter hat auch geholfen, alles in Ordnung zu machen. Alle 6 gingen ½ Jahr zur Schule, und 5 gingen 3 Jahre zur Schule, einer der etwas vom Haushalt versteht kann sich einen Begriff davon machen. Dann wurde jedes Jahr einer entlassen. Johann, der Älteste ist mit mir nach Unkel zur Fabrik gegangen, damit wir bezahlen konnten. Er war sehr fleißig, so dass die anderen Arbeiter, welche mit ihm in Akkord waren, neidisch waren. Habe ihn schon abends, wenn wir nach Haue gingen, vor Schlägen gehütet. Heinrich kam 3 Jahre später aus der Schule, den haben wir 1 Jahr nach Honnef in das Geschäft zum Steg (?) gegeben. Da hat er sich nochmals Kenntnisse im Rechnen erworben. Das Jahr darauf haben wir alle 3 nach Honnef in die Lehre gegeben. Otto bei Arnold Doll – Schlosser, Josef bei Joh. Wierig als Klempner u. Installateur u. Heinrich zum Gernad Reusch als Schuster. 3 ½ Jahr mussten sie lernen, haben alle gut gelernt.


Hier enden die Aufzeichnungen plötzlich in der zeitlichen Folge (ca. 1910), es gibt in der Chronik einen großen Bruch, oder vielmehr eine Lücke von mindestens 20 Jahren. Es fehlen Eintragungen zum 1. Weltkrieg (auf S. 20 wird später kurz darauf eingegangen) und der folgenden Nachkriegszeit, d. h. den sog. 20-iger Jahren. Weshalb und wieso dies geschehen ist, lässt sich nicht nachvollziehen. Vermutlich wurden keine Aufzeichnungen zu dieser Zeit gemacht, denn sie beginnen erst wieder mit der Zeit um 1933 auf derselben Seite, wie die oberen geendet haben. So geht es jetzt erst mit 1933 weiter:


Rheinbreitbach, 27.11.1933
Es ist am Schneien, bei meiner Krankheit kann ich nicht vor die Tür gehen. Darum will ich meine Kinder aufschreiben von meiner Heirat von 1893 an, am 7. Oktober 1893. Die Erstgeburt Joh. Georg, geb. den 21. Sept. 1894, gestorben in Beuthen i. J. 1917, d. 6. Mai. Das 2. Kind, ein Mädchen, d. 20. Aug. 1895, und das 3. Kind, d. 9. Aug. 1896. Beide sind nach der Geburt gleich gestorben. Das 3. war ein Knabe. Das vierte Kind, Heinr. Jos., geb. d. 22. Oktober 1897, morgens um 2 Uhr, Wochentag Freitag. Das fünfte Kind, geb. 23. Oktober 1898 mit Namen Josef, Wochentag Sonntag. Das sechste Kind, geb. 6. Dezember 1899 des Morgens um 5 ¾ Uhr mit Namen Gertrud – Wochentag Mittwoch. Das 7. Kind, geb. Samstag - Morgen um 6 ½ Uhr, den 9. März 1901 mit Namen Barbara. Das achte Kind, geb. Dienstag - Abend um 8 Uhr, den 26. Mai 1903 mit Namen Sophia, gestorben d. 31. Jan. 1904. Nun war ich mit meinen 6 Kindern (Anm.: zu dieser Zeit, denn Sophia starb erst 1904, da waren es dann noch 5) allein – selbst krank. 8 Tage lang habe ich die ganze Wäsche von einem Waschfass in das andere geworfen, bis ein Mädchen aus Limperich sich der Kinder angenommen hat. Der liebe Gott möge es ihr lohnen. Dann hatte ich ein älterliges ? aus dem Dorf, aber es ging alles rückwärts, es war nichts anderes zu machen als heiraten, nun suche

Seite 20:
eine bei die 5 Kindern, die Kleinste (Anm.: Sophia, s.o.) war nach 9 Monaten gestorben. Aber Gott verlässt die Kinder nicht. Da habe ich nun die Mutter gefunden in Westfalen. Am 19. September 1907 haben wir in Wanne (heute Herne, ehemals Wanne-Eickel) geheiratet. Die Mutter brachte den Otto mit, als Zöchkind ? u. nun waren wir wieder 6. Da haben wir das erste Jahr jeden Tag 6 in die Schule geschickt, dann 5 Jahr nacheinander 5. In der Zeit haben wir 4 zur ersten h. Kommunion in einem Jahr geschickt, im Frühjahr 2 und im Herbst 2. Dann drei zugleich in die Lehre. Johann, der Älteste, hat Geld verdient, der hätte das später gutgeschrieben bekommen. Nun kam der Weltkrieg – da haben wir auch 4 hinein geschickt, und Joh. haben wir nicht mehr wieder bekommen.
Nach dem Krieg haben die Jungens geheiratet. Der Heinrich in Honnef ein Mädchen aus Hammerstein. Josef hat sich mit einer aus Gelsenkirchen geheiratet, und der Otto hat von Scheuren eine Profitlich geheiratet. Bärbelchen ist in den Orden von dem heiligen Franz in Aachen eingetreten. Trudchen hat bis jetzt noch keine Bekanntschaft (Anm.: sie ist zu d.Z. bereits 34 Jahre alt). 

Im Jahre 1932 im Januar habe ich, wo ich schon lange nicht gut war, 2 Herzanfälle bekommen, habe es am Tode wieder geholt. Wir haben heute den ersten Dezember 1933, und ich kann noch immer nicht arbeiten, und es wird auch nicht mehr kommen. Habe schon durch die lange Krankheit zweimal Wasser gehabt.


Im Jahr 1923 war ich Gemeindevorsteher geworden, bis 1929. Es war viel zu machen, es war vernachlässigt durch den Krieg, aber im Sommer 1932 hatten wir silberne Hochzeit, ich war nicht mehr Vorsteher, aber die ganze Gemeinde hat uns geehrt, man konnte sehen, dass ich doch meine Pflicht getan hatte, es hat mich sehr gefreut in meiner Krankheit.



(Die Rheinbreitbacher Wasserpumpe)


Jetzt sind wir in einem neuen 3. Reich, Heil Hitler. Die vorherige Regierung hat aber auch hier gerade im Kreis Neuwied Sachen gemacht, man kann es nicht alles (be)schreiben. Sie haben sich den Zentrumsmantel umgehängt, da war alles drunter erlaubt. 


Durch die Vergrößerung von Breitbach war im Sommer unsere Wasserleitung zu knapp. Nun war der Kreis dafür, am Rhein eine Pumpe zu setzen und das Wasser auf den Horn zu pumpen. Die Pumpe soll 80.00 Mark kosten, ohne auf dem Horn das Reservoir, dann müsste die Pumpe bedient werden und kostet alle Tage die elektrische Kraft. Und da lag der Hase im Pfeffer. Neuwied hat über ½ Million Defizit – und das soll nun aus der Gemeinde herausgeholt werden.

Seite 21:
Es hat sich ja gezeigt bei den Anlagen des 3. Reichs, wie die in Neuwied gearbeitet haben. Mein seliger Vater war immer auf den Bergwerken Pumpensteiger gewesen und hatte uns Kinder immer davon erzählt, dass der Marienberg ein Wasser unterirdisch hätte. Er meinte sogar, dass müsste ein unterirdischer See sein. (In) anderen Dörfern am Rhein soll das auch gemacht werden. Wenn ich auch nicht mehr Vorsteher war, so war ich doch in der Gemeindevertretung geblieben, und habe mit allen Kräften dagegen gearbeitet. Es war schwer, das fertig zu bringen, da die Herren von Neuwied sowie der ganze Gemeinderat gegen mich war. Der Herr Bürgermeister selbst sagte: Rheinbreitbach steht so gut und kann sich das erlauben. Nach der stürmischen Sitzung bin ich den Tag nachher auf das Amt gelaufen und habe dem Bürgermeister (gesagt), ich werde das unter keiner Bedingung mitmachen. Er hat mir versprochen, die Sache soll noch mal geprüft werden. Wie ich nun von Unkel (zurück) kam, stand der Steuerexkutor (Steuerbeamte?) Doll an meinem Haus und hatte einen großen Bogen Papier voll geschrieben und sagte, wir müssen dagegen an, ich hätte gestern Abend recht gehabt, wir haben Wasser und brauchen nichts zu pumpen. Habe ihm gesagt, dass ich gerade deshalb von Unkel käme und habe ihm gleich seinen Antrag unterschrieben, dann hat Johann Schneider noch unterschrieben und nun hatten wir 3 auf der Sitzung einen guten Stand, aber es kamen noch immer mehr bei uns, bis wir das Wasser aus dem Breitbach bekamen. Der . . .?  ist, dass der Baumeister in Neuwied nicht viel versteht. Sie hätten (auf) Fachmänner hören sollen. Der alte Bergmann Thür, Strobawa, Schmitt, Assessor Falke und mich. Wir wollten das Wasser aus der Quelle und nicht wie jetzt aus einem Sumpf, u. dann haben wir auch mit Karl Mannesmann nichts zu tun, mit der Zeit wird das auch noch kommen.

Dann ist noch ein Fall zu erwähnen. Das Elisabeth-Haus wollte vergrößern, die Gemeinde sollte 90.000 Mark Bürgschaft übernehmen. Jetzt konnte man deutlich sehen, warum der Pastor einen Latz als Vorsteher wollte haben. Bäckermeister Latz ließ sofort ein Straßenlicht an dem Tor von dem Heim anbringen, wo sie doch am Tor selbst einst haben worde weg gemacht (obwohl sie selbst es vor einiger Zeit abgebaut hatten). Latz lieferte das Brot. Mit der Bürgschaft wurde es nichts zum Glück für Breitbach. Die Berliner Bank, von der das Geld kommen sollte, war in etlichen Wochen kaputt! Unser Dorf wär für Kind und Kindeskinder verloren gewesen.

Seite 22:
1933
Heil Hitler – im 3. Reich
Es sind jetzt andere hier in Breitbach am regieren, Gott sei Dank, dass der Zentrumsklüngel aufhört und der Pastor wieder an den Altar gehört. Die meisten wussten ja nicht, dass fast eine Revolution war, und daher stand unser Land, und viele andere Nachbarländer unter einem Druck, schlimmer als im Mittelalter bei Luthers Zeiten.



(Das Unwetter)


Im Sommer, ich war in Linz zum Amtsgericht, wegen Ortsgerichtssachen gefahren, gab es gegen 12 Uhr Mittag Regen. Ich bin dann auf dem Buttermarkt in die Wirtschaft und Metzgerei eingekehrt, da hörte ich, dass die Frau Wirtin sagte, nun ist auch schwerer Hagel drin. Ich stehe auf, gehe an das Fenster und sehe keinen Hagel, das Geräusch hat ca. 10 Minuten gedauert. Wie ich nun von der Station Unkel auf Rheinbreitbach zukomme, sehe ich die Bescherung. Ganze Anlagen mit Obstbäumen waren ausgehoben, mit Wurzeln und alles, man soll sagen, wie das möglich war? Da hörte ich, es wäre ein Blizzard (gemeint ist offensichtlich die Windhose oder Tornado vom 3. Mai 1934), oder wie das Unwetter heißt (gewesen). Menschenleben waren nicht zu beklagen, weil es während Mittag war, es wollten Leute vom alten Marienberg gesehen haben, wie der Blizzard in Gestalt einer Wolke, die rund lief und inwendig Feuer war! Aus dem Westerwald über Gottesauge die Richtung Marienberg nahm. Da hat er auch zuerst sein Unwesen getrieben, dann ging sein Weg über Haanenburg (Haanhof) und Scheuren zu. Man kann ja nicht sagen, wie er gearbeitet hat. Der das nicht gesehen hat, kann es nicht glauben. Bäume von 80 – 100 Jahren ganz entwurzelt und 10 – 20 Meter fortgeschleift. Die jungen Bäume hat es nicht viel gemacht, die haben sich nicht gewehrt. Ein Baum ist in Scheuren gefunden worden, der hatte keinen Herrn ?, der soll von der Haanenburg gekommen sein. Von Scheuren ging die Verwüstung über den Rhein und hat vor Oberwinter einen großen Nachen auf das Land geworfen und in der nämlichen Minute auch wieder hinein geworfen. Von da ging es über den Berg, da schien die Macht gebrochen.


Hier enden die Aufzeichnungen unvermittelt.


Gut Haanhof nach der Windhose am 3. Mai 1934
Quellen: Gemeindearchiv Bruchhausen, vgl. Heimat- und Geschichtsverein Bruchhausen: 1000 Jahre Bruchhausen - Beiträge zur Ortgeschichte - Ein Heimatbuch, Bruchhausen 1995, 116-118








Pressestimmen aus der Neuwieder Zeitung aus dem Jahre 1878 zur stigmatisierten Jungfrau von Rheinbreitbach